Dlife: In der Fotografie findet momentan ein fundamentaler Wandel statt: Im Jahr 2014 wurden geschätzt rund 1,8 Mrd. Fotos pro Tag (!) über soziale Netzwerke und Apps geteilt. Inwiefern verändert diese digitale Bilderflut den Stellenwert von Fotografie in unserer Gesellschaft?
Die Fotografie hat heute sehr viel mehr Aufgaben zu erfüllen als noch vor wenigen Jahren. Ging es im privaten Bereich zurückliegend vornehmlich darum, Erlebtes zu bewahren, so sind es heute Bilder, in denen wir kommunizieren. Bilder sind dementsprechend das ebenso schnelle wie emotionale Kommunikationsmittel unserer Zeit. Diese Bilder sind es auch, die weltweit zum Mitmachen animieren und somit für Trends und großen Spaß sorgen. Solche Bilder sind es aber auch, die für einen bestimmten Zeitgeist stehen und deren Halbwertszeit sicherlich begrenzt ist.
Mithilfe von Apps zur Bildbearbeitung wie Instagram wird jeder Smartphonebesitzer heute schnell zum Kleinbild-Fotokünstler. Mindert diese Entwicklung den Stellenwert von Fotografie als Kunstmedium oder wirkt es eher unterstützend?
Nein, auf gar keinen Fall – die Smartphones wie auch die Apps setzen wichtige Impulse, lassen Freiraum für eigene Bildsprachen, aber greifen auch Vergangenes auf. Nehmen wir hier nur den Retro-Trend – quadratische Bilder sind wieder in und darauf reagieren auch die Bilddienstleister – sie haben wieder quadratische Bildformate in ihrem Sortiment. Ein weiteres Beispiel wären die Filmeigenschaften, die wir dank der Apps in das digitale Zeitalter transformieren. Und bei aller Diskussion um Smartphones und Kameras sollten wir die Sofortbildfotografie nicht aus den Augen verlieren. Sie erlebt gerade eine Wiedergeburt – wer hätte das vor drei bis vier Jahren gedacht? Im vergangenen Jahr wurden so viele Sofortbildkameras verkauft wie in den Hochzeiten der Sofortbildfotografie.
Wir sollten meines Erachtens das Schubladendenken ad acta legen – auf das Auge kommt es an, die Technik ist nur Mittel zum Zweck. Natürlich sind die Möglichkeiten, wie sie Kameras bieten, vielfältiger als die der Smartphones – auf der anderen Seite begeistern letztgenannte für Foto und Video, so dass sich Smartphonefotografen früher oder später eine Kamera anschaffen. Ja, und vergessen dürfen wir hierbei auch nicht, dass das Smartphone ein wichtiges Zubehör für jeden ist, der mit der Kamera fotografiert.
Durch die einfachen Möglichkeiten der Manipulierbarkeit digitaler Bilder gerät der Wahrheitsgehalt der Fotografie immer wieder in den Mittelpunkt von Diskussionen. Wie sehen Sie das Thema der Wahrnehmungssteuerung durch Bildbearbeitungen?
Diese Diskussion kommt immer wieder auf. Schon bereits bei der Wahl des Ausschnitts beginnt die Bildmanipulation – was bildet man ab und was lässt man weg? Auch durch das Spiel mit der Schärfe und Unschärfe manipuliert man und lenkt den Blick des Betrachters. Ja, und dann kann man mittels Bildbearbeitung Einfluss auf die Bildaussage nehmen – das war in analogen Zeiten nicht anders, nur aufwendiger als heute. Genauso wie wir mit Sprache manipulieren, so können wir dies auch mit Fotos – die Frage ist, ob ein Foto die Wahrheit sagen muss und was die Wahrheit möglicherweise ist.
Trägt die Flut der Bilder zum Wahrheitsgehalt bei oder entstehen eher „parallele Realitäten“?
Flut der Bilder klingt so negativ – wenn wir all das lesen wollten, was uns Bilder in Bruchteilen von Sekunden vermitteln, so würden wir die Nacht zum Tage machen müssen. Bilder ersetzen heute die Sprache und sie sprechen zugleich grenzüberschreitend eine Sprache, die jeder versteht. Bei den Millionen Bildern, die weltweit im Bruchteil von Sekunden aufgenommen werden, ist alles nur Denkbare dabei – dazu gehören auch die „parallelen Welten“.
Innovationen der Fotografie werden oft in der Zahnmedizin aufgenommen. So findet man in Zahnarztpraxen, als Ergebnis der fortschreitenden Miniaturisierung in der Kameraentwicklung, zunehmend Intraoralkameras zur Visualisierung des Zahnstatus. Gibt es Ihrer Ansicht nach aktuelle Trends wie Augmented Reality, die sich für die dentale Anwendung eignen könnten?
Nicht nur im privaten, sondern in allen nur denkbaren Bereichen wächst die Bedeutung von Imaging, so auch in den Zahnarztpraxen, aber auch bei der Herstellung von Zahnersatz mit 3D-Printlösungen in den Laboren. Augmented Reality ist in der Zahnmedizin ein ganz großes Thema – die Bedeutung wird weiter zunehmen, hier stehen wir erst am Anfang der Möglichkeiten.
Gerade in der Dentalfotografie ist die exakte Wiedergabe der Zahnfarbe extrem wichtig. Was können moderne Systeme hinsichtlich der Wiedergabetreue der Farbe leisten? Wo sehen Sie Grenzen?
Grenzen sehe ich keine, denn die Zusammenarbeit von Hard- sowie Software- Unternehmen und Zahnärzten wird für eine kontinuierliche Verbesserung in allen Bereichen sorgen. Hinsichtlich der Wiedergabetreue ist das Niveau bereits so hoch, dass eher das menschliche Auge, aber auch die Erfahrung, wie wir Farbe sehen, die begrenzenden Faktoren sein dürften.
Eines der Trendthemen in der Fotound Imagingindustrie ist der 3D-Druck. Auch in der Medizin und in der Dentalbranche gewinnt die Technologie zunehmend an Bedeutung. Wie schätzen Sie die künftigen Entwicklungen dieses Marktes ein und wann wird diese Technologie den Konsumenten-Markt erreichen?
Bereits 2004 gab der Internet-Vordenker und einstige Wired-Chefredakteur Chris Anderson zum Besten, dass der 3D-Druck die Welt revolutionieren wird. Heute, über zehn Jahre später, ist der 3D-Druck, auch dank der weiterentwickelten Aufnahmeverfahren sowie spezieller Bildsoftwarelogarithmen, eines der Trendthemen von enormem Wertschöpfungspotenzial für die Foto- und Imaging-industrie. Von elementarer Bedeutung ist die 3D-Drucktechnologie bereits in den Bereichen Medizin, Wissenschaft und Forschung, Kunst, Mode und Schmuckproduktion, Luft- und Raumfahrt, Produktion – hier insbesondere im Automobilbereich, Produktentwicklung, Prototypenbau und Werkzeugbau, im Lebensmittelbereich und der Baubranche. Zusätzlich erfreut sich der 3D-Druck auch über ein steigendes Interesse im Hobby-, Bastler-, Modellbau-, Konsumentenmarkt und Privatbereich sowie über eine zunehmende Anwendung in kleinen Unternehmen und Startups für die Produktion von Kleinserien. In die Glaskugel geschaut ist der 3D-Druck in den nächsten Jahren weiter auf dem Vormarsch und wird vieles auch im privaten Bereich revolutionieren.
Vielen Dank für das Gespräch!