Vor rund 20 Jahren endete in Südafrika die Herrschaft der weißen Minderheit über die schwarze Mehrheit. Seit den ersten freien Wahlen im April 1994 versuchen südafrikanische Regierungen, auch die Gesundheitsversorgung im Land zu verbessern. Im Jahr 1996 führte die Regierung von Nelson Mandela eine kostenlose medizinische Grundversorgung für alle Südafrikaner ein. Allerdings sind die Unterschiede in der medizinischen Betreuung bis heute extrem.
Wohlhabende können sich privat versichern, deren medizinische Versorgung ist mit dem europäischen Standard vergleichbar. Die Leistungen der staatlichen Basisversicherung entsprechen dagegen dem Niveau eines Entwicklungslandes. Tendenziell hat die staatliche medizinische Versorgung in Südafrika in den letzten Jahren an Qualität sogar eingebüßt. In den staatlichen Krankenhäusern fehlt es an moderner Ausstattung und vor allem an Personal. Weil staatliche Kliniken schlecht zahlen und schwierige Rahmenbedingungen bedeuten, arbeiten viele Ärzte lieber in Privatkliniken oder wandern ins Ausland ab.
Im Bereich der Zahnmedizin ist die Situation ähnlich. Nach Angaben des » Health Professions Councils of South Africa (HPCSA) praktizieren derzeit über 3.500 Zahnärzte in Südafrika, rund 1.200 Studierende sind im Fach Zahnmedizin eingeschrieben. Doch es sind eher die wohlhabenden, gut versicherten Patienten in den Städten, die Zahnarztbehandlungen in Anspruch nehmen. In ländlichen Gebieten haben 80 Prozent der Kinder in ihrem Leben noch nie einen Zahnarzt gesehen. Neun von zehn südafrikanischen Kindern in diesen Regionen haben Karies, viele leiden unter Zahnschmerzen, die nicht behandelt werden. Die » Dental Therapy Association of South Africa geht davon aus, dass auch über 90 Prozent der Erwachsenen in Südafrika unter Karies und unter parodontalen Erkrankungen leiden. Mundhygiene und die Auswirkungen von oralen Erkrankungen sind Themen, die in Südafrika wenig Beachtung finden.
Mit einfachen Mitteln viel bewirken
Mut machen da Initiativen wie die mobile Zahnhygiene-Klinik, die das » Consulting-Unternehmen Square Carrot aus Johannesburg ins Leben gerufen hat. Ein speziell umgebauter mittelgroßer Lkw dient als fahrbarer Behandlungsraum. Die mobile Klinik besucht Schulen und ländliche, abgelegene Regionen in Südafrika. Ziel ist es, gerade ärmere Menschen für das Thema Mundgesundheit zu sensibilisieren. Aber es wird auch konkret geholfen: Die Spezialisten entfernen bei den Patienten, die zur mobilen Zahnhygiene-Klinik kommen, weiche und harte Ablagerungen von den Zähnen und versorgen entzündetes Zahnfleisch. Zudem zeigen sie den Patienten, worauf es bei einer guten Mundhygiene ankommt und welchen Nutzen die präventive Zahnpflege hat. Dazu gehört, den Patienten zu vermitteln, wie man eine Zahnbürste oder Zahnseide richtig anwendet. Betreut werden Menschen aller Altersgruppen. Zum Abschied verteilt die mobile Zahnklinik Zahnpasta, Zahnbürsten und Zahnseide an die Kinder.
Square-Carrot-Gründer Ignis Borstlap ist vom Engagement seines Unternehmens überzeugt, weil man so mit einfachen Hilfsmitteln viel bewirken kann: „Ein großer Teil der Kinder, die wir bei unseren Besuchen mit der mobilen Klinik kennenlernen, besitzen keine eigene Zahnbürste. Die Familienmitglieder teilen sich eine, manchmal verwenden bis zu fünf Personen in einem Haushalt eine einzige Zahnbürste.“ Zahnprobleme seien da vorprogrammiert. Erschwerend kommt hinzu, dass es eine Korrelation zwischen Zahnproblemen sowie der körperlichen und geistigen Entwicklung gibt. „Die Kinder haben Schmerzen, können nicht richtig essen. Wie sollen sie sich da in der Schule konzentrieren?“, fragt Borstlap. Die Initiative von Square Carrot wird inzwischen von rund 100 weiteren Unternehmen unterstützt.
Branche sieht Wachstumspotenzial
Trotz der schwierigen Situation auf dem Gesundheitsmarkt engagieren sich viele europäische und deutsche Firmen aus der Gesundheitsbranche in Südafrika. Zu den Unternehmen aus der Dentalindustrie, die Südafrika als Markt mit großem Wachstumspotenzial für sich identifiziert haben, gehört die Dürr Dental AG aus Bietigheim-Bissingen. Die Produkte aus den Geschäftsbereichen Equipment, Diagnostische Systeme und Hygiene sind auf dem südafrikanischen Markt bereits bekannt − dank der lokalen Händler vor Ort, die in enger Abstimmung mit der Exportabteilung von Dürr Dental in Deutschland die Produkte an Zahnarztpraxen vertrieben haben.
Seit Juli 2014 ist nun erstmals eine eigene Mitarbeiterin für Dürr Dental auf dem afrikanischen Kontinent tätig. Xané Brink ist Managerin für Süd- und Ostafrika und damit beauftragt, das innovative Unternehmen in Afrika zu vertreten. Ihre Repräsentanz liegt in der Stadt Somerset West in der Western-Cape-Region, gute 30 Autominuten von Kapstadt entfernt.
„Mir ist wichtig, das Vertrauen auszubauen und zu pflegen, das die Zahnärzte unseren Produkten und unserem Service seit vielen Jahren schenken“, definiert Brink als ihre wichtigste Aufgabe. Deshalb trifft sie sich mit den Händlern der Dürr Dental Produkte, um zunächst deren Strategien, Ziele und Herausforderungen zu verstehen. „Die Märkte in Süd- und Ostafrika sind ausgesprochen spannend. Ich lerne viele Menschen aus verschiedenen Kulturen kennen und freue mich über die regen Gespräche, die ich mit ihnen führe“, sagt Brink.
Wenn sie Entspannung sucht, setzt sie sich am liebsten aufs Mountainbike oder das Rennrad. „In Western Cape, der Region, in der ich wohne, gibt es fantastische Trails und Wanderwege, die durch die malerischsten Landschaften und entlang der Küstenlinie führen“, schwärmt Xané Brink. Denn bei allen Herausforderungen, die das Land noch zu bewältigen hat, gilt es, den Blick für „den schönsten Ort auf Erden“ nie aus den Augen zu verlieren.
„Mehr Prophylaxe wäre außerordentlich wichtig“
Dr. Johan Borman arbeitet als Zahnarzt in Somerset West, in der Provinz Western Cape in Südafrika. Er betreibt eine eigene Praxis und hat eine Mitarbeiterin angestellt.
Herr Dr. Borman, bitte beschreiben Sie einen ‚typischen Tag‘ als Zahnarzt in Südafrika.
Ich treffe morgens gegen 7.30 Uhr in meiner Praxis ein. Zunächst beantworte ich E-Mails und kümmere mich um Verwaltungsaufgaben. Dann bespreche ich mit meiner Assistentin den Tag, der vor uns liegt. Die Patienten kommen etwa ab 8 Uhr. Wenn wir Glück haben und nichts dazwischen kommt, können wir von 13 bis 14 Uhr eine Mittagspause machen. Der letzte Patient geht meist um 17 Uhr. Ich verlasse die Praxis in der Regel gegen 17.30 Uhr, nachdem ich mich noch um einige Verwaltungsdinge gekümmert habe.
Mit welchen typischen Problemen kommen Ihre Patienten zu Ihnen?
Meine Praxis ist stark auf die Probleme der Mittel- und Oberschicht fokussiert. Meine Patienten kommen häufig mit konkreten Zahnschmerzen zu mir. Typisch sind aber auch kieferorthopädische Behandlungen oder Implantatchirurgie. Die ästhetische Zahnheilkunde spielt bei meinen Patienten ebenfalls eine Rolle.
Welchen Stellenwert hat die Prophylaxe in Südafrika?
Noch keinen allzu großen. Mehr Information und Bildung rund um das Thema Prophylaxe wäre aus meiner Sicht außerordentlich wichtig. Es ist medizinisch betrachtet natürlich sinnvoller, vorbeugend zu behandeln, als das Problem erst anzugehen, wenn es bereits zu spät ist.
Herr Dr. Borman, herzlichen Dank für das Gespräch!