Trügerische Sicherheit
Die Geschichte ist geprägt vom Kampf zwischen Mensch und Erregern, der seit der Entwicklung von Antibiotika entschieden scheint. Viele halten diese für eine Erfindung der modernen Medizin – tatsächlich haben die Mikroorganismen diese Enzyme vor drei Milliarden Jahren selbst entwickelt, um sich gegen Konkurrenten zu verteidigen. Der Mensch hat diese Erfindung nur für sich in Anspruch genommen. Es folgte eine sorglose Zeit für die westlichen Industrieländer, in der die Angst vor Infektionen in den Hintergrund rückte. Die neue Waffe gegen pathogene Mikroorganismen kam seitdem großflächig zum Einsatz. Heute konsumiert jeder Erdbewohner pro Jahr durchschnittlich zehn Gramm Antibiotika. So werden jährlich 30.000 Tonnen davon produziert und über den Planeten verteilt, die frei im Ökosystem zirkulieren. Die Folge: Ende der 1980er Jahre werden viele Bakterien zunächst resistent gegen Penizillin, danach gegen alle bisher entwickelten Antibiotika. Besonders in Kliniken, in denen zahlreiche Antibiotika zum Einsatz kommen, verfügen die Bakterien inzwischen über eine Batterie von Genen, mit denen sie den meisten Medikamenten widerstehen. Ebenso relevant ist das Thema „pathogene Keime“ für Betreiber von Zahnarztpraxen. Patienten, Behandler und Assistenz stehen in engem Kontakt zueinander. Krankheitserregende Mikroorganismen gelangen über die Hände auf Oberflächen und Instrumente, oder lösen durch Tröpfcheninfektion schwerwiegende Krankheitsverläufe aus. Neben Bakterien bergen auch Viren und Pilze ein hohes Gesundheitsrisiko. Laut Statistik sterben in Deutschland immer noch 20.000 Menschen pro Jahr an den Folgen der „echten Grippe“, die durch Influenzaviren verursacht wird. Ebenfalls hochansteckende Hepatitis-Viren stellen speziell für das medizinische Personal gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt eine erhöhte Bedrohung dar. Sie sind so widerstandsfähig, dass sie in getrockneten Blutpartikeln bis zu einer Woche überleben können.
Keimentfernung de lege artis
Aussagekräftige Zahlen über Infektionsrisiken nach zahnärztlichen Behandlungen liefert beispielsweise eine Untersuchung des Universitätsklinikums Düsseldorf. Bei der Extraktion eines entzündlich erkrankten Zahns besteht die 75- bis 88-prozentige Wahrscheinlichkeit einer Infektion, ohne vorliegende Entzündung sinkt das Risiko auf 20 bis 66 Prozent. Doch selbst beim Legen eines Kofferdamms besteht eine 30-prozentige Chance, krankheitserregende Keime zu übertragen. Der Zahnarzt muss sich deshalb darauf verlassen können, dass sein Personal die vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen lege artis ausführt. Konkret bedeutet das, potentiell infektiöses Material in einen Zustand zu überführen, in dem es Menschen nicht mehr schaden kann. Das heißt, von hunderttausend vermehrungsfähigen Keimen darf nur einer übrig bleiben. Für Sterilisationsvorgänge gelten strengere Vorgaben. Hier darf von einer Million vermehrungsfähiger Erreger höchstens einer überleben – eine Herausforderung für das ganze Team – angesichts der Risiken aufgrund von Blutspritzern, ausfließendem Speichel und anderen Sekreten, die sich unter anderem auf den Armlehnen der Behandlungseinheit oder im Mundspülbecken finden. Besondere Sorgfalt erfordert die Eindämmung der Gefahr durch die keimbelastete Aerosolwolke aus dem Patientenmund, deren Radius durchschnittlich bis zu zwei Meter beträgt. Eine umfassende Wischdesinfektion nach jedem Patienten ist hier ein Muss.
Voll viruzide Produkte
Zu den wichtigsten Grundlagen für die Umsetzung der Hygienepläne zählen die Empfehlungen des » Robert-Koch-Instituts (RKI). Die im Herbst 2012 erfolgte Novellierung umfasst zahlreiche Detailänderungen und neue Anlagen.
Nach wie vor bewerten und differenzieren die RKI-Richtlinien Medizinprodukte nach den Risikoklassen A-B-C, präzisieren jedoch wichtige Formulierungen: Bei unkritischen und semikritischen A (+B)-Medizinprodukten ist ein manuelles chemisches Verfahren als Desinfektion zulässig. Dies bedingt gemäß der neuen Empfehlung, dass der Wirkungsbereich des » Desinfektionsmittels bakterizid, fungizid und vor allem (voll) viruzid ist, ein Begriff, der bisher nicht explizit erwähnt wurde. Viruzidie als Kriterium für eine wirkungsvolle Infektionsprävention rückt somit stärker in den Blickpunkt der Praxen. Das RKI hat jedoch nicht endgültig formuliert, wo genau voll viruzide und wo begrenzt viruzide Mittel eingesetzt werden sollen. Lediglich für die Medizinprodukteaufbereitung schreiben die Richtlinien viruzide Mittel oder Verfahren dort vor, wo der Desinfektion der Medizinprodukte keine Sterilisationsverfahren folgen können.
Im Zweifelsfall bieten (voll) viruzide Produkte jedoch einen besseren Infektionsschutz. Deshalb empfiehlt sich deren Verwendung auch dort, wo ihr Einsatz nicht zwingend vorgeschrieben ist, wie bei der Instrumenten- und Flächendesinfektion. Dürr Dental bietet als einziger Hersteller für diese zentralen Anwendungsbereiche (voll) viruzide Produkte an, deren Wirksamkeit durch unabhängige Institute wie den » DVV (Deutscher Verein zur Bekämpfung von Viruskrankheiten e. V.), oder den » VAH (Verbund für angewandte Hygiene e. V., ehemals DGHM) bestätigt ist. Entsprechende Etikettierungen sorgen jedoch oft für Verwirrung. So gehören Desinfektionsmittel mit der Aufschrift „Geprüft nach VAH“ oder „VAH-Listung beantragt“ nicht zu den gelisteten Produkten. Auch Deklarationen wie „virusinaktivierend“ oder „wirksam gegen Viren“ sind irreführend. Relevant sind einzig die Begriffe „begrenzt viruzid“ und „viruzid“. Begrenzt viruzide Präparate sind wirksam gegen behüllte Viren, während (voll) viruzide Mittel zusätzlich unbehüllte Viren wie Polio und Polyoma SV40 bekämpfen. Praxisbetreibern stehen somit wirksame Mittel zur Verfügung, um das Risiko einer Infektion durch » pathogene Erreger für sich selbst, die Mitarbeiter und die Patienten zu kontrollieren – ohne es zu unterschätzen.