Haben wir in Zahnarztpraxen ein höheres Risiko, uns mit Viren zu infizieren?
Dass Tröpfchen und Aerosole Infektionen verursachen können, ist bekannt. Dentale Aerosole entstehen bei der Patientenbehandlung durch rotierende Instrumente, maschinelle Scaler, oder Pulver-Wasserstrahlgeräte. Hierbei vermischt sich das Kühlwasser der Instrumente mit dem Speichel und dem Blut der Patienten. Aerosole entstehen aber auch unabhängig von einer Behandlung: bei jedem Atemzug, beim Sprechen, Lachen, Singen, Husten und Niesen. Mit Hilfe von Aerosolen kann eine Übertragung von Krankheitserregern, u.a. Corona-Viren, über die oberen Atemwege und den Rachen erfolgen. Bei der zahnmedizinischen Behandlung ist die räumliche Distanz zwischen Behandler und zahnmedizinischem Arbeitsgebiet, dem Mundraum des Patienten, sehr gering. Daher haben gezielte Infektionsschutzmaßnahmen in der zahnärztlichen Praxis seit Jahrzehnten eine hohe Bedeutung. In der aktuellen Stellungnahme der DGZMK (S1-Leitline-Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosolübertragbaren Erregern) (1) wird darauf hingewiesen, dass durch dentales Aerosol verursachende zahnärztliche Behandlungen, laut WHO und RKI, ein stark erhöhtes Infektionsrisiko für medizinische Mitarbeiter durch SARS-CoV-2 besteht.
Die Bundeszahnärztekammer (2) empfahl daher am 26.06.2020: "Aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes sollte die Entstehung und Verbreitung von dentalem Spraynebel reduziert werden".
Lässt sich diese Empfehlung zur Durchführung der aerosolarmen professionellen Zahnreinigung, durch uns als Prophylaxe-Fachkräfte, ohne weiteres umsetzen?
Eine Reduktion von dentalen Aerosolen in der PZR lässt sich u.a. durch den Verzicht auf maschinelle Instrumentierung und die Rückbesinnung auf klassische Handinstrumentierung und Politur erreichen, so wie es integraler Bestandteil des Ursprungskonzeptes „Klassische Recall Stunde“ (Konzept nach Axelsson und Lindhe) ist.
In Zeiten von Pulverstrahltechnologie und Ultraschall ist es möglicherweise für manche zahnmedizinische Fachangestellte schwierig sich hier umzustellen, da vielleicht inzwischen die Routine im Umgang mit Handinstrumenten und bei der Politur etwas verloren gegangen ist.
In Risikozeiten kann jedoch darüber nachgedacht werden, ob die klassische Recall Stunde, nach Axelsson und Lindhe (Axelsson et al., 1987, 1981, 1991)(3), die jahrzehntelang ihre Gültigkeit hatte und Erfolge vorweisen kann, nicht doch wieder ihre Berechtigung hat.
Gegner dieser klassischen Vorgehensweise wenden ein, dass es bislang keinen Nachweis dafür gibt, dass sich Zahnmediziner und/oder zahnmedizinisches Fachpersonal durch dentale Aerosole mit Corona-Viren in der Zahnarztpraxis infiziert haben (2). Einen Nachweis dafür gibt es bisher tatsächlich nicht. Eine bestehende Gefährdung durch Aerosolbildung ist jedoch allgemeiner Konsens und kann bislang nur durch entsprechende Schutzmaßnahmen reduziert, aber nicht eliminiert werden. Es spricht unter den aktuellen Bedingungen nichts gegen die professionelle Zahnreinigung nach der klassischen Methode von Axelsson und Lindhe. Hier wird auf eine zusätzliche Belastung durch dentale Aerosole weitgehend verzichtet, dies entspricht den Empfehlungen der BZÄK oder der DGZMK.
Das klassische Modell der PZR nach Axelsson und Lindhe:
Das Ziel der professionellen Zahnreinigung ist stets gleich geblieben:
1. die schonende Beseitigung von harten und weichen Belägen (Biofilm/Plaque, Zahnstein/Konkrement) und
2. die Optimierung der häuslichen Mundhygiene.
Beide Pfeiler stehen für den Erfolg des klassischen Modells von Axelsson und Lindhe zur Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit.
Wir wissen heute, dass Allgemein- und Mundgesundheit in enger Wechselbeziehung stehen. Daher ist am Anfang jeder PZR die Aufnahme einer allgemeinen- und speziellen Anamnese unabdingbar.
Vor Beginn der professionellen Zahnreinigung sollten alle Patienten eine antimikrobielle Mundspüllösung zur Reduktion der Keimbelastung im Aerosol anwenden (1, 2, 4, 5 ), BZÄK-Covid-19, S1 Leitlinie (DAHZ, Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin/Hygieneleitfaden, ….). Durch Anwendung einer Mundspüllösung könnte das Risiko einer Übertragung von Krankheitserregern deutlich minimiert werden (4).
Anschließend werden die Zahn- und Zahnfleischbefunde mit Hilfe von Indices erhoben und bewertet, um eine Über- oder Untertherapie zu vermeiden. Instrumentiert wird nur dort, wo Plaque und Zahnstein sichtbar sind. Zur besseren Darstellung der supragingivalen Beläge, empfiehlt sich die Anwendung einer Plaque-Anfärbelösung, z.B. Mira2-Ton®
Zur Entfernung von harten und weichen Belägen stehen beim klassischen Modell nach Axelsson und Lindhe, die Handinstrumentation und die Politur im Vordergrund. Insbesondere Patienten mit sensiblen Zähnen bevorzugen die manuelle Instrumentation mit anschließender Politur gegenüber einer maschinellen Intervention. Dieses Vorgehen ist auch heute in der Praxis umsetzbar. Die Weiterentwicklung von Scalern und Küretten hat deren Verwendung für den Anwender inzwischen deutlich vereinfacht. Auf manche Instrumente kann mittlerweile verzichtet werden (z.B. durch den Einsatz von Double Gracey Küretten). Durch speziell beschichtete Handinstrumente entfällt inzwischen selbst das lästige Aufschleifen.
Mit parodontalen Handinstrumenten, z.B. von Hu-Friedy oder American Eagle, werden mineralisierte Auflagerungen, Pigmentierungen und supra- und subgingivale weiche Beläge behutsam entfernt.
Da durch eine Instrumentation die Zahnoberflächen aufgeraut werden, muss als Abschluss immer eine schonende Politur erfolgen. Nach dem Motto: "so gründlich wie nötig, so schonend wie möglich".
Die Prophylaxefachkraft sollte sich bereits im Vorfeld überlegen, welche Polierpaste für den jeweiligen Patienten sinnvoll ist, denn die Anforderungen können sehr unterschiedlich sein. Freiliegende Wurzeloberflächen, hochwertige Keramik-Restaurationen und sensible Zahnhälse benötigen speziell auf diese Anwendung abgestimmte Pasten.
Ausgangssituation vor der professionellen Zahnreinigung
Zur Politur von Schmelz- und Dentinoberflächen hat sich die Polierpaste Lunos® Two in One mit einem Anteil Hydroxylapatit, zur Unterstützung der Remineralisierung und einem RDA von 28 bewährt. Innerhalb von nur 10 Sekunden Anwendung poliert sich die Paste selbstständig von grob nach fein. Wichtig ist die korrekte Anwendung von selbstreduzierenden Pasten. Hierbei poliert man stets 2-3 Zähne mit einer Pastenportion über den Zeitraum von ca. 10 Sekunden. Sind nach 10 Sekunden noch Verfärbungen sichtbar, sollte neue Paste aufgenommen werden.
Entfernung weicher Beläge mit der Polierpaste Lunos®Two in One
Ein zeitraubender Wechsel von unterschiedlich abrasiven Polierpasten entfällt. Verschiedene Geschmacks- und Aromastoffe, sowie eine Variante ganz ohne Aromen und Farbstoffe, mit und ohne Fluorid, ermöglichen eine Anwendung bei unterschiedlichsten Patientengruppen. Die Polierpaste Lunos® Super Soft mit Hydroxylapatit und einem RDA >5 eignet sich für besonders sensible Oberflächen und als Hochglanzpolierpaste. Die Verpackung als Tube ist wirtschaftlich, ergonomisch und hygienisch einwandfrei. Die Paste trocknet nicht aus und hat immer eine angenehme Konsistenz. Für die Politur sind Winkelstücke mit einem gekapselten Kopf zu bevorzugen. Dadurch wird verhindert, dass die Polierpaste in den Antrieb gelangt.
Schonung von Restaurationen und Hochglanzpolitur mit der Polierpaste Lunos®Super Soft
Zum Abschluss werden die Zähne an Prädilektionsstellen mit einem Fluoridlack, z.B. Lunos® Fluoridlack, fluoridiert und ein neuer Recall Termin vereinbart. Alle Patienten sollten wiederholt zu einer optimalen Zahn- und Mundhygiene instruiert werden, da die Motivation zur häuslichen Mundhygiene bekanntermaßen nach einigen Wochen wieder nachlässt und der Patient in sein altes Verhaltensschema zurückfällt.
Fazit: Besondere Situationen erfordern oftmals ein Umdenken. Langfristig möchte sicher niemand auf die Vorteile von Pulverstrahltechnologie und Ultraschallinstrumentierung bei der alltäglichen Arbeit verzichten. In der aktuellen Situation, ist jedoch ein Zurückgreifen auf lang bewährte Techniken, wie Handinstrumentierung und Politur, durchaus angezeigt und sinnvoll.
Quelle/Literatur:
(1) DGZMK: „Umgang mit zahnmedizinischen Patienten bei Belastung mit Aerosolübertragbaren Erregern“, Langversion, 2020, AWMF-Registriernummer: 083-046,
www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/083-046.html, (Zugriff am: 26.09.2020)
(2) www.bzaek.de/berufsausuebung/sars-cov-2covid-19/risikomanagement.html
(3) (Axelsson et al., 1987, 1981, 1991),On the prevention of caries and periodontal disease Results of a 15‐year longitudinal study in adults, P. Axelsson, J. Lindhe, B. Nyström
(4) news.rub.de/presseinformationen/wissenschaft/2020-08-10-virologie-mundspuelungen-koennten-corona-uebertragungsrisiko-senken
(5) DAHZ Hygieneleitfaden, 12.Ausgabe, erschienen 2018 Herausgeber: Deutscher Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizinin Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Zahnmedizin der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGHK)
Solveyg Hesse
- 2006-2007 Fortbildung zur Dentalhygienikerin ZÄK Westfalen Lippe
- seit 01.04.2007 bis heute: Tätigkeit als Dentalhygienikerin in Zahnarztpraxen in Hamburg, Niedersachsen, Schleswig Holstein
- 01.02.2008 - 01.12.2015: Referentin an der Zahnärztekammer Niedersachsen für die ZMP und DH Aufstiegsfortbildungen, Tätigkeit im Prüfungsausschuss
- 01.07.2017-31.12.2019: Coach und Dozentin für Go4life Medical Consulting, Besuch verschiedener Fortbildungsinstitute und Erlangung der Qualifizierung als Fachkraft für Datenschutz -TÜV, Erwerb der aktuellen Kenntnis gemäß §8 Abs.4 MPBetreibV DGSV, Qualitätsmanagementbeauftragte ZÄK Westf. Lippe
- seit 01.01.2010 bis heute: Freie Referentin und Trainerin an den Zahnärztekammern SH, MV, SAH, HH, HB, NS, Privatanbieter, Coach für praxisinterne Schulungen