Die Freude über die verbesserten Arbeitsbedingungen wich jedoch schon bald der Ernüchterung. Was das Auge des Behandlers erfreute, konnte nicht über das hinwegtäuschen, was seine Nase ihm offenbarte: Es stank. Außerhalb des Sichtfelds von Zahnarzt und Praxisteam führten die in den abgesaugten Flüssigkeiten enthaltenen pathogenen Keime ein gefährliches Eigenleben, weil der Biofilm, eine Gemengelage aus organischem Material und Substanzen wie zahnärztlichen Werkstoffen oder Prophylaxepulvern, über die Saugschläuche die gesamte Anlage kontaminierte. Die dadurch entstehende Infektionsgefahr für die Patienten, den Zahnarzt und seine Mitarbeiter gebot schnelles Handeln. Zunächst existierten jedoch keine adäquaten » Desinfektions- und Reinigungsmittel für die neuen Saugsysteme. Die Firma Dürr Dental hatte die ersten Absauganlagen auf den Markt gebracht. Nun suchten die Entwickler dort nach einer Lösung, die verhinderte, dass die Innovation bereits nach kurzer Zeit scheiterte. Das Ergebnis ihrer Bemühungen war ein bis heute marktführendes Produkt. Christian Pflug leitet seit Mai 2013 den Geschäftsbereich Hygiene bei Dürr Dental. Im Interview spricht er über den Weg von » Orotol von der ersten Rezeptur bis zum Premiumprodukt.

D’life: Die Geschichte von Orotol steht in enger Verbindung mit Ihrer Familie. Ihr Vater Ludwig Pflug soll die erste Rezeptur gemeinsam mit Walter Dürr in einer Badewanne angerührt haben. Erinnern Sie sich, wie es dazu kam?

Anfang der 60er Jahre kamen die ersten von Dürr Dental entwickelten Sauganlagen auf den Markt. Das war nicht nur ein wichtiger Schritt im Hinblick auf den Schutz des Behandlers und des Praxispersonals vor potentiell pathogenen Keimen, durch diese Innovation leitete das Unternehmen gleichzeitig einen Paradigmenwechsel ein. Während der Patient vorher aufrecht saß, war nun eine Versorgung in liegender Position möglich, was Zahnärzten ihre Arbeit seitdem erheblich erleichtert. In der abgesaugten Flüssigkeit, die unter anderem aus Blut, Speichel, Dentin und Resten der verwendeten zahnärztlichen Materialien besteht, finden Bakterien optimale Bedingungen, um sich zu vermehren – eine Entwicklung, die nach und nach in der Anlage selbst stattfindet. Die damit einhergehenden Prozesse führen wiederum zu unangenehmen Gerüchen und Infektionsgefahr. Deshalb mussten sich die Entwickler schnell mit dem Thema Sauganlagendesinfektion befassen.

Tatsächlich hat mein Vater damals gemeinsam mit Walter Dürr die ersten Versuche in der eigenen Wohnung gestartet. Die beiden setzten in größeren Behältern in der Badewanne verschiedene Rezepturen an – solange, bis sie die optimale Mischung gefunden hatten. Das Ergebnis wurde dann mit Schläuchen angesaugt und in Flaschen abgefüllt. Das war die Geburtsstunde der ersten Orotol-Generation.

Wo lagen Ihrer Meinung nach die speziellen Hürden bei der Entwicklung eines wirksamen Desinfektionsmittels für Sauganlagen?

Das Problem war, dass ein Desinfektionsmittel für eine technische Innovation gefunden werden musste, die es in dieser Form vorher noch nicht gab. Eine Absauganlage stellt ganz eigene Anforderungen an ein Desinfektionsmittel. Zum Beispiel, weil das zeitgleiche Ansaugen von Flüssigkeit und Luft in einem System Schaumbildung begünstigt. Die ersten Produkte auf der Basis von Chloramin schäumten noch stark und beeinflussten so die Funktion der Anlage. Die Folgeprodukte auf Phenolbasis zeigten diesen Nebeneffekt nicht mehr. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Vielzahl der von den Anlagenherstellern verwendeten, teilweise empfindlichen Materialien. Ein geeignetes Desinfektionsmittel musste also die Eigenschaften Wirksamkeit, Schaumfreiheit und Materialverträglichkeit in gleichem Maße abdecken.

Inwiefern wurde die Rezeptur im Laufe der Jahre modernisiert?

Was die desinfektorische Qualität angeht, war Orotol von Anfang an sehr hochwertig. Es wurde Sorge dafür getragen, dass es umweltverträglich und außerdem unbedenklich für die Gesundheit von Patienten und Anwendern ist. Nach den ersten Rezepturen folgten die neueren Generationen auf der Basis von quartären Ammoniumverbindungen und Sauerstoffabspaltern. Alle Produkte sind nach OECD-Richtlinie biologisch abbaubar.

Warum ist Orotol Ihrer Meinung nach heute immer noch marktführend?

Dürr Dental war der erste Hersteller, der seinen Kunden sowohl die Absauganlage als auch die dafür dringend erforderlichen Reinigungs- und Desinfektionsmittel aus einer Hand liefern konnte. Wegen dieser engen Verbindung sind die Kompetenzbereiche Technik und Chemie perfekt aufeinander abgestimmt. Durch die materialschonende Rezeptur sorgt es zudem für einen maximalen Werterhalt der Anlage. Im Mittelpunkt steht sicher das Wirkungsspektrum. Die Desinfektion für Absauganlagen wirkt zuverlässig gegen die Erreger von Tuberkulose und das Hepatitis-C-Virus. Darüber hinaus ist es fungizid, begrenzt viruzid und bekämpft unbehüllte Viren, wie das Adeno- oder Norovirus.

Wo sehen Sie in der Zukunft weiteres Verbesserungspotential?

Wir halten mit dem Produkt Orotol bei der Sauganlagendesinfektion bereits ein sehr hohes Niveau. Dennoch besteht für Dürr Dental als forschendes Unternehmen immer ein Interesse an weiteren Verbesserungen – selbst, wenn es sich hierbei nur um Feinheiten handelt. So unterliegt die Produktentwicklung ständig neuen Vorschriften durch den Gesetzgeber. Nuancen der Steigerung bei den Themen Wirksamkeit, Geruch oder Anwenderfreundlichkeit sind ebenfalls vorstellbar.

Danke für das Interview!